Pionierin des Ugly Chic – Modemacherin Miuccia Prada wird 75 (2024)

Nützlich soll ihre Mode in erster Linie sein. Und sie soll alle ansprechen: vom Kind bis zum Erwachsenen. Die italienischeModemacherin Miuccia Prada selbst will jeden Morgen entscheiden, obsie ein 15-jähriges Mädchen oder eine alte Dame dem Tod nahe ist. Mitdiesem Credo machte sie die Marke Prada zum Kult-Modelabel. Dochdamit nicht genug, zog die Italienerin noch einen Moderiesen hoch:Miu Miu. Ihre Kleider und Accessoires prägen seit Jahrzehnten dieModewelt. Am Freitag wird Miuccia Prada 75 Jahre alt.

Alles fing mit einer Handtasche aus schwarzem Militärnylon an. Ihreerste Designarbeit für das Familienunternehmen, das sie im Alter von28 Jahren überraschend von ihrer Mutter übernahm, erwies sich sofortals geniale Idee. Praktisch, leicht, wasserfest – und vor allemnützlich. Bis heute ist die Nylon-Handtasche von Prada einKultobjekt. In der Folgezeit machte Miuccia Prada das Modehaus mitrevolutionären Designs, schlichtem Understatement und praktischenMaterialien zu einer weltweit erfolgreichen Marke.

Neben den klassischen Kleidern und Schnitten, die unter ihrer Ägidebei Prada produziert wurden, prägte die Italienerin als eine derersten großen Modemacherinnen den sogenannten Ugly Chic (freiübersetzt etwa: hässliche Eleganz). Einige finden das schrecklich,doch bei Modefans war und ist er heute wieder der letzte Schrei.

Mit 'hässlicher Eleganz' zum Erfolg

Erstmals zeigte Miuccia Prada den Ugly Chic in einer Kollektion 1996.Sie wollte damals provozieren und das Unpassende in den Mittelpunktstellen: Knalliges Grün prallte auf staubiges Braun, dickerZopfstrick auf hauchdünne Transparentstoffe, Retro aufFuturistisches, Plastik auf Kristall und Socken aufHigh-Heel-Sandalen. Sie spielte mit dem Hässlichen und Schönen, mitTabu und Norm – und feierte damit einen Riesenerfolg.

Die Kollektion sollte mit Traditionen brechen. Prada setzte Trends -und folgte ihnen niemals. „Irgendwie wurde das, was man Bad Tastenennt, in der Mode nie akzeptiert. Damals war es eine Art Skandal,eine Beleidigung. Auch heute noch ist die Mode manchmal der Ort derklischeehaften Schönheit, aber es ist das Klischee der Schönheit, daskomplett entfernt – ja, verändert werden muss“, sagte Prada kürzlichder Modezeitschrift 'Vogue'.

Im Gegensatz zu ihren Konkurrent:innen widersetzte sie sich dem Bild desMakellosen und Matten. Pradas Mode stellte immer die Frau insZentrum. „Die Vorstellung von einer Frau als schöne Silhouette –nein! Ich versuche, Frauen zu respektieren. Ich neige nicht dazu,Kleider zu entwerfen, die super-sexy sind. Ich versuche, auf eine Artund Weise kreativ zu sein, um Kleider zu kreieren, die getragenwerden können, die nützlich sind“, sagte sie der 'Vogue'.

Heute ist die Prada-Group, zu der neben Prada auch das seit 1993bestehende Label Miu Miu gehört, ein erfolgreicher Player in derModewelt. Der Konzernumsatz belief sich im vergangenen Jahr auf knapp4,73 Milliarden Euro. Den Konzern führt Pradas Ehemann PatrizioBertelli. Längst vermarktet Prada auch Parfüms, Schmuck undSonnenbrillen.

Politikwissenschaftlerin und Pantomime

Eigentlich war ihr die Karriere als erfolgreiche Modemacherin in dieWiege gelegt, doch als junge Frau wehrte sie sich vehement dagegen,im Familienunternehmen zu arbeiten. 1913 hatte ihr Großvater Mariomit seinem Bruder Martino ein Unternehmen für hochwertige Lederwarengegründet. Der Name damals: Fratelli Prada, die Brüder Prada. Späterübernahm ihre Mutter Luisa. Miuccia Prada, am 10. Mai 1949 als MariaBianchi geboren, studierte zunächst Politikwissenschaft undpromovierte. Danach ließ sie sich als Pantomime ausbilden.

Eine Zeit lang war sie Mitglied der Kommunistischen Partei Italiens.Schon damals wollte sie anders sein. Bei den Demonstrationen undSit-ins tauchte sie nicht wie ihre Genossinnen in Jeans auf, sonderntrug Kleider des französischen Designers Yves Saint Laurent.

Mit 28 Jahren übernahm sie gemeinsam mit ihren zwei Geschwistern vonihrer Mutter das Unternehmen. Sie nahm deren Geburtsnamen an undnannte sich Miuccia – ihr Spitzname aus Kindheitstagen. Ihr Ehemann,mit dem sie zwei Söhne hat, animierte sie zur Designer-Karriere. Nacheigenen Angaben hielt sie zuvor noch nie einen Stift in der Hand. Siehabe auch nie gelernt, zu zeichnen und zu schneidern, sondernentwerfe immer 'mit Worten' ihre Mode.

Mit ihrem Ehemann baute sie das Unternehmen zu einemMillionen-Imperium aus. Aus dem altehrwürdigen Familienbetrieb, der1919 vom damaligen König Vittorio Emanuele III. zum königlichenHoflieferanten ernannt wurde, machten sie einen modernen Modekonzern.1993 gelang Prada mit ihrem zweiten Label Miu Miu ein weiterer Coup.

Als eine der wenigen Frauen in der von Männern dominiertenitalienischen Modewelt stach Miuccia Prada mit ihren Kreationenheraus. Neben ihr gibt es nur noch Donatella Versace, die in derBranche große Erfolge feiert. Viele erklären sich dies mit derVielfalt in ihren Werken. Noch heute legt Miuccia Prada Wert aufStilbruch. In neuen Kollektionen setzte sie wieder auf Kontraste undbrach weibliche Klischees mit maskulinen Elementen und Stoffen.

Doch Prada will sich nicht an vergangenen Erfolgen messen. „Wenn dieLeute fragen: «Bist du glücklich über deinen Erfolg in der Mode?» Dasist mir völlig egal“, sagte sie der 'Vogue'. „Ich denke darüber nach,was ich als Nächstes tue.“ Dabei treibe sie stets der Gedanke an,dass die Menschen, die ihre Kleider tragen, sich selbstbewusstfühlen. „Mode ist eine Darstellung der eigenen Vision der Welt. Dennsonst ist Mode meiner Meinung nach nutzlos.“ (dpa)

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Author: Gregorio Kreiger

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